„Klare Botschaft“
Trucker-Sommerfest trotz Regenguss in Kirtchheim/Teck erfolgreich
Selbst ein Regenguss konnte Ekkehart Fischer die Laune nicht verderben. Der 70-jährige Gründer der deutschen Trucker-Church („Kirche für Lastwagenfahrer“) war bei seiner Predigt ganz in seinem Element. Der stämmige Mann mit dem Cowboyhut und dem leuchtend gelben Hemd mit dem aufgestickten Symbol seiner Organisation stand am Sonntagnachmittag auf dem Platz zwischen Dutzenden parkender Brummis in einem quer gestellten Anhänger mit offener Plane beim Kirchheimer Autohof an der A8. In der Hand die von ihm mit entworfene „Truckerbibel“ – eine moderne Übersetzung in leicht verständlicher Sprache mit Porträts und Geschichten von Menschen, die aus ihrem Leben und ihren Erfahrungen mit Jesus Christus berichten.
Hinter ihm die „Sunnyside Stringband“ mit Banjos, Kontrabass, Gitarren und Sängerin Kim aus Amerika, die mit ihrer Countrymusik für gute Laune und strahlende Gesichter unter den Gästen sorgte. Neben sich eine Plane, auf der zu lesen ist „Jesus hat jede Menge Anhänger“.
Vor Fischer sitzen im Dauerregen 60 Fahrer aus allen Herren Ländern an Biertischen unter rasch aufgestellten Pavillons und lauschen beim Sommerfest dem Text vom Vater und seinen Söhnen aus Lukas 15. Die Aussagen werden gruppenweise von Helfern in die jeweiligen Heimatsprachen der Gäste übersetzt. Mit dabei sind an diesem Tag wie eine offene Umfrage ergibt Deutsche, Polen, Letten, Russen und Albaner.
Die Musiker heizen ein. Applaus brandet auf. Die Männer und Frauen in den gelben Shirts, die eine Stunde zuvor den Aufbau gemeistert haben und einmal im Monat einen solchen Gottesdienst anbieten, sind begeistert. „Die Fahrer sind teilweise bettelarme Menschen, die einsam unterwegs sind und das ganze Wochenende hier verbringen müssen. Die haben nie die Chance, die Botschaft von Gottes Liebe in der Kirche zu hören“, sagt Fischer.
Seine Motivation: Er will das ändern und geht deshalb zu Ihnen. Auch praktisch wird geholfen. Da gibt sein Team schon mal den Betrag aus für den Besuch der Toilette oder einen Kaffee. Da betet man für die Kreuzschmerzen eines Litauers und erlebt, wie der nach Jahren erstmals schmerzfrei und fröhlich aus dem Fahrerhaus steigt. „Solche Erlebnisse machen auch uns Mut“, sagt Fischer. Sein Blick schweift über das Gelände. Er ist dankbar über die Chance, an dieser Stelle einen richtigen Gottesdienst feiern zu können, dabei zu sein und seinen pastoralen Dienst zu tun. Er spricht vom „allgemeinen Priestertum“. Lässt sich von den Vorschriften der etablierten Kirchen nicht beirren und von deren Vorschriften nicht einschränken. Er traut auch schon mal ein Paar rechtsgültig, wie er betont. Außerhalb des Systems stellt er sich gleichwohl nicht. „Wenn einer sein Leben Gort anvertraut, braucht er die Gemeinschaft von Christen“, betont Fischer.
Eigene Ortsgemeinden will er dafür nicht gründen. Das ist nicht sein Ding. Da sie selbst keine Hauskreise organisieren und ein „normales“ Gemeindeleben nicht stattfindet, schicken die Mitarbeiter der Truckerchurch die Menschen in bestehende Gemeinden. Oder sie nehmen sie gleich mit in ihre eigenen Kirchen.
Dorthin, wo sie selbst mit ihren Familien zuhause sind. Schließlich gehören alle Ehrenamtlichen der Truckerchurch selbst einer lebendigen Gemeinde an. Da sind Katholiken mit Charismatikern, Landeskirchler mit Baptisten zusammen. Was sie eint? „Die Liebe zu Jesus Christus“, sagt Fischer und lacht. Für ihn ist selbstverständlich, um was „draußen“ im kirchlichen Alltag immer wieder neu und heftig gerungen werden muss.
Der ehemalige Unternehmensberater aus Erkrat bei Düsseldorf spricht an diesem Nachmittag klar und deutlich von der Liebe Gottes zu allen Menschen. Er lädt die Zuhörer dazu ein, ihr Leben diesem lebendigen Gott anzuvertrauen. Anschließend werden die Trucker-Bibeln in der jeweiligen Landessprache verteilt. Sitzen oder stehen die Menschen zusammen und kommen miteinander ins Gespräch. Über Sorgen und Nöte, die Familie und den Sinn des Lebens.
Fischer ist zusammen mit seiner Frau ehrenamtlich unterwegs, um den Menschen die „Frohe Botschaft von der Liebe Gottes“ zu vermitteln. Das ist sein Lebensinhalt. Er selbst lebt vom Ersparten aus seiner „säkularen Zeit“. Finanziert werden Bibeln und Fahrten und anderer Aufwand durch Spenden. Viele kleine Beträge kommen da zusammen. Aber auch mal ein paar Tausend Euro von einem Unternehmer. Die kann er brauchen, hat er doch noch viel vor. So die Erstellung einer CD als Ergänzung zum gedruckten Wort, die sich die Fahrer unterwegs anhören können.
„Im Auftrag und Namen des Herrn der Welt“ reist der Düsseldorfer seit 16 Jahren quer durch die ganze Republik. 350 ebenfalls ehrenamtliche Mitarbeiter hat der von ihm gegründete Verein inzwischen. An 25 Orten treffen sie sich. So auch unter der Teck, wo zehn Mitarbeiter dreimal in der Woche den Rastplatz zu ihrem Revier gemacht haben. Dann treffen sie sich, beten und ziehen anschließend mit ihrem Rollwagen voller Bibeln los, um mit den Fahrern ins Gespräch zu kommen.
Aus solchen Aktionen ist inzwischen ein Netzwerk entstanden, das sich in der Arbeit gegenseitig unterstützt. So hat Fischer in einem Fall in Düsseldorf einen Fahrer auf Gott angesprochen. Der fuhr weiter, traf in München einen von Fischers Kollegen und „machte die Beziehung zu Gott fest. Dann konnte er wie der Kämmerer aus Äthopien in dem biblischen Bericht seine Straße fröhlich weiter ziehen“. Sagt Fischer, strahlt vor Begeisterung über solche Ereignisse und könnte noch Stunden lang von vielen solcher Begegnungen erzählen.
Warum setzen die Männer und Frauen der Trucker-Church, ihre Freizeit, Geld und Kraft dafür ein, dass Männer von Gott erfahren, die sie in ihrem Leben vielleicht nur einmal sehen? „Zunächst wollen wir diesen Menschen danken. Ohne sie hätten wir viele Waren nicht nicht, die wir täglich brauchen. Sie tun einen wertvollen Dienst“, sagt der 59-jährige Baptist Horst Huber-Deufel.
Der neben ihm stehende Notzinger Johannes Grau (61) aus der biblischen Missionsgemeinde ergänzt: „Ich persönlich erlebe so viele Wunder mit Gott. Das will und muss ich einfach weiter sagen.“ Was die beiden mit den anderen Mitarbeitern verbindet? „Die eigene Erfahrung mit Gott und seiner Liebe“, sagt Grau spontan. Auch er strahlt Freude und Frieden aus. Wie Fischer ist ihm wichtig, dass keiner ohne ein gutes Wort vom Hof fährt.
Über das Wetter geschimpft hat übrigens keiner. Schließlich nehmen Sie auch die äußeren Bedingungen für ihren „Dienst“, wie sie ihre Arbeit nennen, „aus Gottes Hand“. Was super fromm klingt, wird in der Begegnung mit ihnen zur fassbaren Realität. Glaubwürdig. Da wird Glaube reell begreifbar.
Auch Koordinatorin Ruth Reiter ist ganz in ihrem Element, sorgt für Schirme und verteilt die Würste, die Michael Schweikle auf dem Gasgrill für alle Teilnehmer am Sommerfest brutzelt.
Der Fuhrunternehmer aus Unterensingen ist voller Überzeugung dabei. Auch ihn drängt „die Liebe zu Gott“ und die Überzeugung, auf diese Weise den biblischen Missionsbefehl zu erfüllen. Als Chef von 20 Mitarbeitenden ist er Dienstleister unter anderem für die Deutsche Post. Dabei erfährt er täglich wie wichtig eine klare Glaubenshaltung im Alltag ist. Gerade wenn es um gerechte Löhne, den ehrlichen Umgang und die Weisheit für strategische Entscheidungen geht. „Ich rechne mit Gottes Führung in meinem Leben“, sagt Schweikle, während er mit einer Zange die gebratenen Würste wendet.
Nach zwei Stunden ist das Fest angesichts des nicht enden wollenden Regens dann doch recht abrupt vorbei. In wenigen Minuten sind die Pavillons abgebaut, ist das Plakat zusammen gerollt und die Bibeln und Tische in den Anhängern verstaut. Da sitzt jeder Handgriff. Man merkt den Helfern die Routine an. Techniker Olaf Molkenthin wischt sich den Schweiß von der Stirn. Er schnauft erleichtert durch. War für ihn heute nicht einfach, den Ton mit dem im Bus liegenden Pult auf der kurzfristig aufgebauten Anlage richtig abzumischen. Es ist ihm gelungen. Er legt die aufgewickelten Kabel in die Kiste, nimmt seinen kleinen Hund in den Arm, der vor Aufregung und dem vielen Fremden um ihn herum zittert und sich nur allmählich entspannt.
Auch Hartmut Bader, der Leiter der Band, hat sein Banjo bereits im Bus untergebracht. Er steht in der Waschhalle der Shelltankstelle und blickt strahlend über den nun fast leeren Platz. „Das ist eine so tolle Sache. Da lohnt sich jeder Einsatz“, sagt der in Eningen bei Reutlingen lebende Zahntechniker und steigt ein zu seiner Frau Beate, die ihren Bass ebenfalls bereits verstaut hat und zu den beiden Töchtern, die als Gäste den Nachmittag engagiert begleitet haben.
Ebenso unter den Gästen saß der Pfarrer und evangelische Synodale Johannes Eißler mit seiner Frau Ute, der vor vier Jahren in seinem letzten Einsatz für das Amt für Missionarische Dienste in einem Zelt nur wenige hundert Meter entfernt aufgetreten ist. „Eine gute Arbeit“, findet der Theologe und nickt anerkennend.
Als auch der letzte Personen-Wagen den Hof verlassen hat, wird es ruhig. Nur der Verkehr der nahen Autobahn mit seinem nie enden wollenden Brummen ist zu hören. Die Wolken haben sich verzogen. Alles erscheint in einem falen Licht. Zurück bleibt Robert aus Russland, der am Kühlergrill seines Actros lehnt und dem bunten Völkchen nachblickt. In der Hand das ihm so fremde Buch mit den bunten Bildern und Geschichten. „Interessant“, murmelt er, ehe er sich eine Zigarette anzündet, die Kapuze überzieht und zu der Gruppe der Kollegen hinübergeht, die sich unter dem Dach der Tankstelle zusammen gestellt haben. Da fällt einem angesichts der Situation unwillkürlich Reinhard Mey ein mit seinem Song vom Flugplatz. „…und dann ist, was uns groß und wichtig erscheint, plötzlich nichtig und klein“.
Holger Seitz (Freier Redakteur)