Martin war ein römischer Soldat, aber er verhielt sich nicht so, wie sich sonst Soldaten verhielten: Er war gütig zu seinen Kameraden, lebte die Nächstenliebe. Seine Geduld und Bescheidenheit überstiegen die der anderen bei weitem. Seine Kameraden verehrten ihn und hielten ihn schon damals mehr für einen Mönch als einen Soldaten. Denn, obwohl noch nicht getauft, zeigte er ein Verhalten wie ein Christ: Er stand den Kranken bei, unterstützte die Armen, nährte Hungernde und kleidete Nackte.
Eines Tages, als Martin nichts außer Waffen und dem einfachen Soldatenmantel bei sich trug, begegnete er mitten im Winter am Stadttor von Amiens einem nackten Armen. Dieser flehte die Vorbeigehenden um Erbarmen an. Doch alle liefen an dem Elenden vorüber. Da erkannte Martin, von Gott erfüllt, dass der Arme, dem die anderen keine Barmherzigkeit schenkten, für ihn da sei.
Was sollte er also tun, denn außer seinem Soldatenmantel hatte er ja nichts. Also nahm er sein Schwert und teilte den Mantel mitten entzwei. Den einen Teil gab er dem Armen, in den anderen Teil hüllte er sich wieder selbst. Etliche der Umstehenden begannen zu lachen, denn Martin sah mit dem halben Mantel kümmerlich aus.
In der folgenden Nacht, als Martin in tiefem Schlafe lag, sah er Christus mit seinem halben Soldatenmantel bekleidet, den er dem Armen gegeben hatte. Dann hörte Martin Jesus mit lauter Stimme zu der umstehenden Engelschar sprechen: „Martin, hat mich mit diesem Mantel bekleidet“. Jesus Christus dachte dabei tatsächlich an seine eigenen Worte, die er einst gesprochen hatte: „Was immer ihr einem Geringsten getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt 25, 40). So bekannte Jesus Christus, dass er in dem Armen von Martin bekleidet worden ist. Um den Wert eines so guten Werkes zu bestätigen, zeigte er sich in eben diesem Mantel. Martin erkannte in seiner Tat vielmehr die Güte Gottes. Und als er 18 Jahre alt war, ließ er sich taufen.
Martinus war mit dem Christentun in Berührung gekommen. Er wollte ein Jünger Jesus sein, und er hat auf seinem späteren Lebensweg als Mönch, Klostergründer und später als Bischof von Tours gezeigt, wie tief er die Botschaft Jesus verstanden hatte.
Wenn Menschen das heute nachspielen, wenn sie wieder lebendig machen, wie Martin seinen Mantel teilt, dann ist da mehr als nur Folklore. Es ist die Erinnerung an die Grundlagen des Christentums. Am Martinstag wird anschaulich, was es heißt: Liebe deinen Nächsten, wie dich selbst!
Seine Botschaft ist universell und für jeden gültig. Aber sie kommt aus seinem Glauben an Jesus Christus. Darum ist es wenig sinnvoll, das St. Martinsfest seines christlichen Gehaltes zu berauben und etwa „Fackelfeste“ oder „Lichterfeste“ zu feiern, weil das konfessionsloser klingt. Das hat nichts mit Integration zu tun, denn es geht eben nicht darum Unterschiede zu verwischen, sondern darüber ins Gespräch zu kommen. Natürlich gibt es in den Schulen, in den Kitas und in der Gesellschaft Vermischungen der Religionen und Weltanschauungen, aber St. Martin war und bleibt ein vorbildlicher Christ und wir sollten dabei bleiben, dass das Wort aus Matt.25,49 in der Bibel heute noch genau so eine Bedeutung hat, wie damals, als es geschrieben wurde. Lasst uns also den St. Martinstag so leben wie er ist, nämlich als unser Bekenntnis zur Nächstenliebe an alle Menschen, ohne uns verbiegen zu lassen.
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